
Ihr müsst A blasen, nicht As,
achtet auf die Vorzeichen!
Wie oft hat unser Chorleiter das wohl zu uns gesagt? Und, obwohl wir ja jetzt einen anderen Chorleiter haben, sagt der nach 40 Jahren des Bestehens des Chores das auch noch, aber nicht mehr so oft . -
Ja, 40 Jahre sind eine lange Zeit und doch sind die Jahre so schnell vergangen.
Ich weiß noch, wie wir uns zum ersten Mal in der Wohnung meiner Eltern trafen, um das Blasen zu erlernen. Auf einem alten Zettel (ich bin mir nicht sicher von welchem Jahr) steht eine Notiz, die lautet:
"Im September 1961 begannen fünf junge Männer in Zusammenarbeit mit dem Kirchenältesten Richling und Pastor Gooßmann mit dem Erlernen eines Blasinstrumentes. Die Instrumente konnten aus Frankfurt/O entliehen werden..."
So saßen wir nun da, die Instrumente in den Händen und waren fest entschlossen, einen Ton aus diesen hervorzulocken. Und wirklich, nach einigen Übungsstunden war der Klang der Instrumente schon ganz passabel. Wir wurden sogar so mutig und beschlossen, zum Weihnachtsgottesdienst zu blasen (man bedenke, nach 10 Wochen). Um eine gewisse Sicherheit zu haben, wurden die Griffe über und unter die Noten geschrieben und der Gottesdienst konnte kommen.
Die Anspannung im Gottesdienst vor dem ersten Choral war jedem Bläser anzusehen, aber als der letzte Ton von "O du fröhliche ..." verklungen war, glätteten sich die Gesichtszüge wieder und ein festlicher Weihnachtsgottesdienst ging zu Ende.
Die Kirchengemeinde Lebus hatte einen Posaunenchor!
So nach und nach wurde der Chor immer größer und der damalige Landesposaunenwart Heinz Remter nahm uns ganz schön in die Mangel. Heinz Remter und Pfarrer Gooßmann kannten sich aus Berlin und so hatten wir das Glück, ihn öfter in Lebus zu haben. In der Anfangsphase des Chores war das eine gute Sache und für uns ungemein wichtig.
Einen Glücksgriff hatte unser Chor mit Herrn Schulz; er kam zu uns als Tenorbläser und war ein Musiker aus dem FF. Als junger Mann war er Militärmusiker in der polnischen Armee. In den Übungsstunden stand uns Herr Schulz stets mit Rat und Tat zur Seite. Wenn die Achtel- und Sechzehntelnoten von uns mal nicht so zügig geblasen wurden, sagte er "die Finger gehen doch von ganz allein" - unsere nicht, die waren so unbeweglich, als hätten wir Gicht in den Fingern.
Ja, Übung macht den Meister; somit lernten wir langsam auch Achtel und Sechzehntel zu blasen. Der Chor hatte sich bläserisch schon gut gefestigt und so konnten wir am 22.08.62 eine Abendmusik blasen. Im Laufe der Jahre kamen vielfältige Aufgaben auf den Chor zu:

- Landesposaunenfeste
- Kreisjugendtage
- Kirchliche Feiertage sowieso
- Bläserrüsten
- Abendmusiken
- Advents- und Weihnachtsmusik
- Konfirmationen
- Normale Gottesdienste
- Hochzeiten
- Beerdigungen
- Jubiläen und Veranstaltungen in Lebus
aber auch in anderen Städten und Gemeinden
In der Nähe von Eberswalde waren wir in einem Jahr zum Blasen in einem kleinen Ort eingeteilt und blieben da auch über Nacht in Privatquartieren. Als wir uns am nächsten Morgen zum Gottesdienst trafen, erfuhren wir, daß Herr Schulz kein Frühstück bekommen hatte. Zum Glück waren noch bei einigen Bläsern Brote vom Vortag vorhanden und so brauchte unser Tenorbläser nicht Hunger zu leiden.
Ja, solche Erlebnisse gibt es eben auch.
Seit einigen Jahren fährt unser Posaunenchor einmal im Jahr nach Ramin, um in drei oder vier Orten Posaunenmusik zu blasen und die Gemeinden zu erfreuen. Die Verpflegung und die Unterbringung erfolgt bei den Eltern von unserer Annette; so erleben wir gerne gemeinsame Stunden der Unterhaltung und der Fröhlichkeit.
Aber in den langen Jahren gibt es nicht nur eitel Sonnenschein in einem Posaunenchor, sondern auch traurige und trübe Tage. Für uns viel zu früh haben wir an den Gräbern von Heinz Remter, Pastor Gooßmann und Heinz Krüning geblasen - aber auch das gehört zum Leben.
Eine schlimme Zeit beginnt, wenn der Chor sich langsam auflöst, wenn einige Bläser umziehen, zur Armee müssen, studieren oder keine Lust mehr haben. Dann ist guter Rat teuer! Aber auch diese Zeit haben wir durchgestanden. Unsere Devise war: "Nur nicht ganz aufhören, immer weiter machen", auch wenn wir des öfteren mit nur drei Bläsern in der Übungsstunde saßen.
Es kamen wieder neue Bläserinnen und Bläser hinzu und der Chor wurde in einigen Stimmen umbesetzt und war wieder blasfähig. Aus dieser Umbesetzung ergab sich, daß nun unser Herr Schulz im Baß die Tuba blasen sollte. Da er von Größe und Statur her nicht zur Tuba paßte, sondern eher von kleinem Wuchs war, gab es ein Problem. Es mußte eine Vorrichtung angefertigt werden, die es Herrn Schulz ermöglichte, die Tuba darauf zu stellen und zu blasen. Kurzerhand schnitt Martin einen alten Notenständer ab und befestigte darauf ein Brett. Die Vorrichtung war sogar höhenmäßig zu verstellen, zur Freude unseres Bassbläsers.
Ja, lustige Geschichten, die sich im Laufe der Jahre ereignet haben, gibt es noch viele, aber die alle aufzuzählen ist gar nicht mehr möglich und ein großer Teil ist auch schon vergessen.
Unser Posaunenchor hat sich jetzt personell sehr gefestigt; ca. 54 Bläserinnen und Bläser haben in den 40 Jahren bei uns mitgewirkt oder es wenigstens versucht.
Ihnen sei an dieser Stelle recht herzlich gedankt.
Der Landesposaunenwart i.R., Herr Bernhard Schneider, hat nun die Leitung des Chores übernommen; wir sind sehr dankbar dafür. Unter seiner professionellen Leitung und menschlichen Wärme kann unser Chor sich nur weiter entwickeln.
Ich hoffe, daß wir noch viele gemeinsame Jahre zum Lobe Gottes und zur Freude der Gemeinde blasen dürfen.
Bernhard Richling
ehrenamtlicher Chorleiter